WAL nicht sein darf, was nicht kann sein...

reagiert Arne Seifert auf das Kapitel "Todesursache Zins" des Buches WAL von Norbert Marzahn

Übrigens genau so, wie ich vor kurzem auch noch auf das modern gewordene Madigmachen von Zinsen reagiert hätte. Ich kann ihn gut verstehen, nur heute nicht mehr zustimmen.

Nun bin ich ein paar Jahre aus der Universität heraus, bin ein paar Jahre in fremden Ländern unterwegs gewesen und habe seit kurzem Zweifel an der Überlebensfähigkeit eines auf Zinsen beruhenden Wirtschaftsmodells, die ich kurz als Kommentar zu Arne Seiferts Kommentar anreißen möchte. Die Langversion ist bald im PS VERLAG als umweltfreundlich ohne Benzol- und Ozonfreisetzung, stinkende Lacke und hochgiftige Fixiersalze digital gedrucktes Buch im A5-Format für 35 Euro erhältlich.

A.Seifert: Warum sollte es zu "Geldhaberzusammenschlüssen" kommen, wenn der Einzelne nichts davon hat? Eine Mark heute zu besitzen, wird von den meisten Menschen als wichtiger angesehen, als über die Mark morgen zu verfügen. Das verschieben von Geld nach hinten (Verzicht heute, Genuss morgen) möchte man sich daher bezahlen lassen. Hierbei ist nicht die Altersversorgung gemeint, sondern das tägliche Leben.

Hier folgert Arne Seifert wahrscheinlich zu schnell von sich auf alle anderen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Man leiht sich unter Freunden sehr wohl Geld, ohne Zinsen - und auch in durchaus spürbaren Mengen. Ohne diese "Nachbarschaftshilfe" hätten meine Eltern erst viel später ihren ersten PKW bekommen, gäbe es heute den PS VERLAG noch nicht oder nicht mehr und würden wir uns nicht auf einen riskanten Kredit in Richtung Ukraine eingelassen haben, für den als Sicherheit lediglich das Wort des Kreditnehmers bereitstand. Der Auslandskredit wird zwar mit 10% verzinst, jedoch können Sie sich gern die heftigen Überweisungskosten von WesternUnion bei Ihrem Postamt oder auf unseren Mittelverwendungsseiten ansehen. Wir dokumentieren jeden Beleg. Und unsere Rückzahlungsvereinbarung haben wir auch nicht bei Banken abgeschrieben.

Die von Arne Seifert beschriebene Sichtweise ist leider nicht so selten zu finden, zur großen Freude der Banken und zum Leidwesen der Kleinunternehmer und der daher zahlreichen Arbeitslosen. Ich würde aber vorschlagen, diese egozentrische und unmoralische Einstellung nicht auch noch zum allgemeingültigen leuchtenden Vorbild zu erklären. Es würde vollkommen ausreichen festzustellen, dass der objektive Vorteil des Geldes gegenüber anderen Tauschgütern zum Erpressen einer weit über einen Risikoausgleich hinausgehenden mühelosen Einkunftsart verführt. Und es ist auch wahr, dass man heute von manchem einen Vogel gezeigt bekommt, wenn man Steuern zahlen oder ehrenamtlich tätig sein möchte, eine Diebstahlsgelegenheit nicht nutzt oder sich sonstwie hilfsbereit zeigt. Dazu kommt, dass der Staat es nicht einmal für nötig hält, den Opfern der eigentlich normalen Vertrauensbereitschaft zur Seite zu stehen. Lesen Sie meinen Bericht zur modernen Sklavenhaltung ruhig durch, wenn Sie mir nicht glauben!

A.Seifert: Doch selbst wenn man argumentiert, dass Leute ihre Altersvorsorge heute einzahlen und morgen zinslos wieder bekommen, greift das nicht. Denn was ist, wenn das Projekt fehl schlägt und das Geld (zum Teil) verloren geht? Geld zu leihen bedeutet immer auch ein Risiko. Das lässt man sich bezahlen, eben mit dem Zins.

Dann würde sich mein zuverlässiger, vertrauenswürdiger Freund, Bekannter, Verwandter, der bei mir Geld oder etwas anderes borgte, sicher auch Gedanken machen, wie er mich entschädigen und so mein Vertrauen in Ihn wieder herstellen könnte. Und solange er noch arbeiten kann, ist noch längst nicht alles, sondern nur ein Projekt verloren. Sobald wie möglich wird er sich entschulden. Und bei Bedarf sicher auch mir aus der Klemme helfen. Würden Sie sich etwa feige verdrücken oder auf amtliche Restschuldbefreiung pochen? Solche Strolche gibt´s natürlich auch, leider.
Überhaupt gehen viele Projekte nicht an der Tatsache zugrunde, dass überhaupt Geld zurückfließen soll, sondern am verlangten konstanten Rückflusstempo der Banken. Kleiner Umsatzeinbruch, Personal- oder Krankenstandssorgen, Maschinenausfall oder teure Reparatur, Opfer durch Betrug, drei Monatsraten im Rückstand - das führt zur sofortigen Kreditkündigung, als ob der Schuldner nun besonders gut bei Kasse sei. Welche Umstände zur Krise führten, ist egal. Die Bank gewinnt fast immer und wird dank Pfandrechten sogar noch aus der Konkursmasse bevorzugt ausgezahlt. Das geht soweit, dass kleine Handwerker ihre unbezahlten Materialien aus Konkursbaustellen nicht mehr ausbauen dürfen, die nun an die Bank fallen, welche keinen Zahlungsaufschub gab. In Eberswalde haben das schon manche Betriebe während der großen SAWO-Pleite nicht überlebt, obwohl sie ordentlich und fleißig schufteten und die gebauten Häuser noch heute irgendjemandem Gewinn bringen.

Wer das gegenwärtige Wirtschaftssystem klarer erkennen möchte, der versuche doch bitte einmal, eine kleine Firma aufzubauen! Oder schaue einmal über den Tellerrand in andere Kulturen. Ein gutes Beispiel: die islamische Wirtschaftsethik. Mein Bekannter, Dr. Hamdali aus Algerien, heute Leiter der Koordinierungsstelle für Toleranz und gegen Fremdenfeindlichkeitdes in der Stadt Eberswalde, bestätigte diese Kernaussage des Islam. Die christlichen Kirchen in Deutschland haben dagegen vermutlich kein Problem mehr mit verzinsten Geldanlagen und ebensolchen Kreditaufnahmen. Die katholische Kirche hat sich übrigens erst in den achtziger Jahren von der Ablehnung der Zinsen verabschiedet, und die Urchristen sowie Jesus waren - so wie ich es heute sehe - absolute Zinsgegner. Obwohl militärisch unbedeutend, hat ihnen diese Haltung die versuchte absolute Ausrottung mit Mann und Maus eingebrockt, wo immer das römische Reich ein paar Anhänger dieser störenden Theorie aufspüren konnte. Muß also ganz schön gefährlich für das auf Wachstum angewiesene Rom gewesen sein, diese Idee! Und wie das Beispiel der Jünger und der ersten Gemeinden zeigte, war die Lehre durchaus ansteckend!
Ein anderes Beispiel: Die Regeln der Juden, die aus bitterer eigener Erfahrung lernten, untereinander zinsfrei zu leihen, Entschuldungsjahre einzuführen und so trotz Diaspora immerhin über sehr viele Jahrhunderte als Volk bestehen blieben. Diese Bewahrung eigenständiger Traditionen ist an sich schon eine gewaltige und einmalige Leistung! Leider haben sie diese Ethik nicht auf Nachbarvölker angewandt. Ein paar sicher schon gehörte Begriffe aus der rechten Ecke möchte ich mir hier verkneifen, doch hinter jedem schamlos mißbrauchten Volkszorn für irgendwelche parteipolitischen Zwecke steckt in der Regel auch ein klein wenig begründeter Ärger der Leute.
Und es gibt einen gewissen Zusammenhang zwischen Zinsen und einer gesellschaftszerstörenden, umweltfeindlichen und rücksichtslosen Verhaltensweise von Leuten, die zu Krieg, handgemachten Umweltkatastrophen und Hunger führt. Wem die Schulden bis zum Hals stehen, der kommt bei fehlender Chance, die Zinsen mit ehrlicher Leistung zu überholen, eben in Versuchung, bei Gelegenheit auch seine eigene Großmutter zu verkaufen! Die könnte heißen:

Der begründete Ärger im Volk bei persönlicher Betroffenheit durch gesellschaftliche Überschuldung rechtfertigt natürlich keine rechtsradikalen Gewalttaten von gestern oder heute. Die stets beschleunigte Verarmung der Massen und die ebenso wachsende Vermögenskonzentration auf wenige Superreiche kann auch klüger und gerechter verhindert werden. Harz-Konzepte zögern nur den Kollaps hinaus. Auch die EU-Osterweiterung könnte noch ein paar Monate oder Jahre schinden helfen. Eine echte Lösung sind sie nicht, weil die neu in den Verteilungskreislauf gelangten Güter nicht lange einen Bogen um die Leute machen werden, die im großen Stil ihr Vermögen potenzieren.

A.Seifert: Diese Zahlenspielerei mit einer Exponentialfunktion hat nicht nur den unschönen Fehler, dass es kein Jahr 0 gab. (Die Zählung geht: ... -3, -2, -1, 1, 2, 3, ...) Der Stand von rund 34565677950877063957943813080971 Mark auf Marias Konto beweist nur, dass Exponentialfunktionen immer stärker steigen, als man denkt. Setzt man eine durchschnittliche Inflation von jährlich 3,8% an, so hat Maria nach 1969 Jahren einen Realwert von gut 44 Pfennig auf dem Konto, was (bei dem erwähnten Goldpreis) weniger als 0,1 Gramm Gold bedeutet...

Nun wollen wir aber die Kirche im Dorf lassen! Bei echten 0,2% Zinssatz kommt erst viel später ein spürbarer jährlicher Vermögenszuwachs zustande - und das wäre ja fantastisch, zumindest für die Schuldner. Allerdings gab es im Mittelalter Phasen mit weit über 100% Zinssatz, und wir hatten auch schon Zeiten mit negativer Inflationsrate. Was ich im Internet so über die deflationäre Krise fand, hört sich überhaupt nicht verlockend an und dürfte in den letzten 2000 Jahren auch schon ein paarmal vorgekommen sein. Vielleicht nicht global und zeitgleich, aber wer weiß denn, wo dieser fiktive Pfennig angelegt war. Die immer wieder im Internet bemühte Berechnung der Zinsen für einen vor 2000 Jahren angelegten Pfennig finde ich völlig sinnlos, denn bisher hat noch kein mir bekanntes Zinssystem so lange ohne Selbstzerstörung durchgehalten. Das Ende kommt nach meiner Einschätzung immer erst in der zweiten oder dritten Generation (abhängig vom Zinssatz und der Inflation) - aber es kommt. Käme es in wenigen Jahren, würde ich den Leuten soviel Geist zutrauen, die Gefahr der Zinswirtschaft zu erkennen und zu bannen. Aber 50 oder 100 Jahre - das bringt die Leute trotz endlicher Ölreserven nicht einmal auf die Idee, Benzin zu sparen. Die kaufen lieber schnellere als sparsamere Fahrzeuge, nicht wahr? Mein alter 83er Audi 80 kam auch schon mit 5 l Diesel je 100 km aus. Viel besser ist ein neuer Audi A4 TDI auch nicht, stimmts? Aber er schafft fast 200 km/h - und das freut die Leute! Irgendwann ist das Öl alle, aber das juckt heute doch noch niemanden wirklich!


Was sagt uns diese Grafik? Hier sehen wir zwei Funktionen: Leistungswachstum und Vermögenswachstum durch Zinsen. Man kann das drohende bittere Ende mit dieser Grafik beweisen, wenn folgende Grundsätze anerkannt werden:

In 14 Jahren würde es sich bei nur 5% schon verdoppeln, in 28 Jahren vervierfachen, in 42 Jahren verachtfachen, in 56 Jahren versechzehnfachen, in 70 Jahren verzweiunddreißigfachen. Bei 7% vertausendfacht sich ein verzinstes Vermögen in nur 99 Jahren. Sinkt der Zinssatz, streckt sich das Intervall, aber die Potenzierung (Beschleunigung im Wachstum) an sich bleibt. Eine mit der Schweighofer-Software "ZINSEN" selbst errechnete Tabelle dazu finden Sie hier.

Eine primitive Technik lässt sich mit wenig Aufwand und gutem Leistungsgewinn verbessern. Je perfekter ich bin, um so mehr Energie ist für eine weitere Leistungserhöhung nötig. Irgendwann bin ich so gut, dass selbst eine minimale Verbesserung der Leistung in keinem sinnvollen Verhältnis mehr zu den nötigen Investitionen oder dem Energie- bzw. Materialverbrauch steht. Hühner kann man nicht auf wesentlich weniger Grundfläche je Tier als eine A4-Seite einsperren, wenn man eine gewisse Eileistung erwartet. Identische Autos verbrauchen bei doppeltem Tempo viel mehr Benzin als nur die doppelte Menge. Eine teure Maschine kann trotz rafiniertestem Schichtsystem nicht mehr als 24 h je Tag laufen. Die Getreideernte je ha lässt sich auch nicht beliebig steigern, wenn dabei Gewinn angestrebt wird.

Die ersten Jahre eines Zinswirtschaftsmodells sind geprägt von steil steigenden Leistungen bei kaum der Rede werten Zinslasten. Ein Wirtschaftswunder - würde man wohl im Rückblick dazu sagen. Die 50er Jahre bis in die 60er hinein dürften den Deutschen in Ost und West so in Erinnerung geblieben sein. Dann kamen satte Jahre mit Leistungszuwächsen oberhalb der Zinszuwächse. Die Zinsen der Investoren entsprechen dem Gesamtverschuldungsgrad der Geldleiher (Privat und Geschäft). Zinsen, also Zinskosten stecken in der Miete, im Benzin, in jedem Streichholz. Und ganz langsam erhöht sich gesamtgesellschaftlich der Verschuldungsgrad, oder streitet das jemand ab? Irgendwann laufen die Zinsen den Leistungszunahmen davon - eine drohende Zahlungsunfähigkeit wird spürbar, ja sogar als Haushaltsloch berechenbar. Es droht die Schuldnersättigung - das ist der Punkt, an dem sich Leistungs- und Vermögenskurve kreuzen. Die Leute beginnen zu befürchten, dass sie mit zukünftiger Leistungserhöhung nicht mehr mit dem Schuldenwachstum mithalten werden. Dann bekommt erst die Regierung heiße Ohren und versucht auf Verlängerung zu spielen. In der Phase stecken wir wahrscheinlich gerade. Mit ein paar ärgerlichen Zündaussetzern werden wir wohl noch einmal das ruhigere Fahrwasser der EU-Osterweiterung erreichen, aber vielleicht sehen Sie sich doch besser die folgenden Diagramme an, bevor Sie übermütig werden?


Diese Grafik geht von einem bereits kriselnden BRD-Zinssystem um 1990 mit zugeführter Verteilungsmasse der Ex-DDR aus. Vielleicht hätte der neue Schwung länger gereicht, aber Korruption und Dummheit im wilden Osten haben eben auch ihren Preis. Ein paar gute Jahre sind da sicher draufgegangen.


Wahrscheinlich wird die EU-Osterweiterung noch einmal einen kurzen Aufschub verursachen. Aber das Karussel dreht sich immer schneller, und die neue Masse wird diesmal von allen EU-Gründungsmitgliedern gemeinsam gefressen, zentralisiert, privatisiert. Ich will nicht jammern, denn ich kann Fremdsprachen und mehrere Berufe. Und ich habe bereits einmal eine Systemumstellung überlebt. Andere wird es härter treffen. Bleibt der Kollaps aus - um so besser, auch für mich. Aber ich kann mich nun mal nicht stur darauf verlassen, dass am Ende alles gut wird. Ich wäre für Modellprojekte. Rechtzeitig, und mit staatlichem Segen. Zinslos oder mit Schwundgeld (auf Konten, Geldkarten oder in Zetteln mit Verfallsdatum) - es gibt bereits zahlreiche erfolgversprechende Projekte. Es fehlen nur noch ein paar helle Bürgermeister!

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